In der Verhandlungslehre gibt es die Grundsätze von Wertschöpfung und Wertverteilung. Wenn du dich mit verschiedenen „Verhandlungsstrategien“ auseinandersetzt, findest du diese Grundsätze noch unter anderen Namen wie „distributive und integrative Verhandlungsstrategien“ oder „kollaborative und wettbewerbsorientierte Verhandlungsstrategie“. Die Grundprinzipien sind gleich. Bei der Wertschöpfung wird der Fokus auf das Erzielen von gemeinsamen Gewinnen und Synergien gelegt, bei der Wertverteilung wird der vorhandene Wert (eine begrenzte Ressource) verteilt. Meist durch eigene Maximalforderungen und mit möglichst wenig Zugeständnissen.
Zu häufig verhandeln wir distributiv – als auf der Verteilungsebene. Bevor wir darüber nachdenken, wie wir den Kuchen für alle vergrößern können, ist im Mittelpunkt, dass wir das größte Stück vom Kuchen für uns selbst haben. Bevor du dich zu schnell auf einen Preiskampf oder ein „Feilschen“ einlässt, nimm dir einen kurzen Atemzug und versuche, die Situation zu analysieren. Stell dir folgende Kontrollfrage:
Bin ich auf einem Marktplatz oder in einer Beziehung?
Wenn die Antwort – häufiger als du denkst – lautet, die Situation ist eher mit einer Beziehung als mit einem Bazar zu vergleichen, dann verhalte dich auch nicht wie auf einem Bazar. Ein „Nach-mir-die-Sinnflut“-Verhandlungsansatz schafft kurzfristigen Erfolg, ist aber langfristig der falsche Ansatz.
Ich sehe Verhandlungen nicht wie Boxkämpfe. Ich meine nicht, dass es darum geht, den Verhandlungspartner zu besiegen. Und selbst wenn ich distributiv verhandel, zeige ich niemals, dass ich gewonnen habe. Im Gegenteil, ich gebe meinem Verhandlungspartner das Gefühl, als Sieger aus der Verhandlung herauszugehen. Aus zwei Gründen. Erstens muss mein Verhandlungspartner den Sieg auch verkaufen können. Und zweitens denke ich immer an die nächste Verhandlung. Wer sich für den Sieg vor dem Verhandlungspartner feiert, fordert eine Revanche heraus.
Vergifte deine Beziehung nicht für schnellen Erfolg.
Stell dir vor, du lebst auf einem Dorf, dessen Brunnen der einzige Wasservorrat im Dorf ist (du wirst gedanklich ein paar Jahrhunderte zurückreisen müssen). Der Brunnen war schon da, als du geboren wurdest und wird das Dorf noch mit Wasser versorgen, wenn du gestorben ist. Wenn du weißt, dass du aus diesem Brunnen die nächsten 80 Jahre Wasser schöpfen musst, kämst du nicht auf die Idee, diesen Brunnen zu vergiften, um dafür einmal etwas mehr Wasser oder etwas schneller an das Wasser zu kommen. Das gleiche gilt für deine Verhandlung. Ich vergifte jedenfalls nicht das Wasser, das ich morgen trinken muss. Wasser ist Leben.